BIM aus Sicht des Change-Managements: Wir nehmen Digitalisierung in die öffentliche Hand
Roda Müller-Wieland zeigt, wie BIM im öffentlichen Bauwesen Teil eines Kulturwandels ist – mit neuen Chancen und Herausforderungen.

Die digitale Transformation im Bauwesen stellt öffentliche Unternehmen vor tiefgreifende Veränderungen. Besonders mit der Einführung von Building Information Modeling (BIM) ist eine neue Denkweise gefragt, die weit über die reine Anwendung von Software hinausgeht. Roda Müller-Wieland, Leiterin Schulungen, digitale Kompetenzen und Transformation bei der DEGES, erläutert in diesem Artikel, wie BIM nicht nur als technisches Werkzeug, sondern als Teil eines umfassenden Kulturwandels betrachtet werden muss – und welche Herausforderungen und Chancen dabei für den öffentlichen Sektor bestehen.
Warum ist BIM mehr als ein technisches Upgrade?
BIM ist eine Methode zur optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken mithilfe digitaler Modelle. BIM ist jedoch weit mehr als ein technisches Upgrade. Es erfordert einen grundlegenden Wandel in der Zusammenarbeit: weg von isolierten Arbeitsweisen hin zu einer integrativen, kooperativen und datenbasierten Zusammenarbeit. Das bedeutet: Rollen und Verantwortlichkeiten ändern sich, und das Arbeiten mit offenen, transparenten Daten erfordert nicht nur neue Technologien, sondern auch eine neue Haltung. Dieser Wandel betrifft insbesondere den öffentlichen Sektor, der sich durch eine starke Tradition von Kontrolle und Hierarchien auszeichnet.
Disruptive Veränderungen durch BIM
Früher war das Planen und Bauen von Straßen und Brücken oft eine Angelegenheit von Papierplänen, später kamen unübersichtliche E-Mail-Schleifen dazu. Fehler wurden oft erst auf der Baustelle entdeckt. Mit BIM jedoch arbeiten alle Beteiligten auf einer gemeinsamen Datenbasis, die in Echtzeit aktualisiert wird. Fehler können im digitalen Modell frühzeitig erkannt werden, was zu einer Reduzierung von Problemen und Verzögerungen führt.
Beispiele aus der Praxis zeigen, dass die Einbindung aller Fachplanerinnen und Fachplaner über ein zentrales Koordinationsmodell zu einer höheren Qualität in der Planung führen kann – aber auch eine Abkehr von der „Einzelkämpfer-Mentalität“ hin zu echter Teamarbeit bedeutet.
Die halbe Miete: Technik und Standards
Die erfolgreiche Einführung von Building Information Modeling basiert auf einem Zusammenspiel verschiedener Handlungsfelder. Mit dem Masterplan BIM Bundesfernstraßen und der fortschreitenden Normung wurden in den letzten Jahren wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, um den Einsatz von BIM effizient zu gestalten. Parallel dazu haben sich nutzenbringende, modellbasierte Prozesse etabliert, in denen technische Standards wie IFC, BCF und IDS zum Einsatz kommen. Diese technischen und prozessualen Grundlagen bilden ein stabiles Fundament. Doch der entscheidende Erfolgsfaktor bleibt das Handlungsfeld Mensch: Ohne Akzeptanz, Qualifikation und das richtige Mindset der Beteiligten können selbst die besten Standards und Prozesse ihre Wirkung nicht entfalten.
Die andere halbe Miete: der Mensch
Die Einführung von BIM scheitert nicht selten an den Menschen selbst. Widerstände gegen die Veränderung können auf verschiedenen Ebenen auftreten – von der individuellen Einstellung und den damit verbundenen Ängsten bis hin zu kollektiven Strukturen, die eine Zusammenarbeit erschweren.
Lösungsansätze für Widerstände:
- Individuell: Frühzeitige Change-Kommunikation und das Schaffen von persönlichen Erfolgserlebnissen können helfen, Ängste und Skepsis zu überwinden.
- Kollektiv: Hier sind insbesondere Team-Workshops zur Vertrauensbildung sowie die Etablierung interdisziplinärer Projektteams erforderlich. Ein klarer Plan, wie Fehler im Modell gemeinsam bearbeitet werden, fördert eine Lernkultur.
- Strukturell: Unklare Verantwortlichkeiten und veraltete Prozesse können durch klare Standards und die Digitalisierung von Arbeitsabläufen abgebaut werden.
Erfolgreiche BIM-Einführung: So gelingt die Transformation
Der erfolgreiche Einsatz von BIM ist kein Selbstläufer. Ein gut strukturierter Transformationsplan ist notwendig, um die verschiedenen Dimensionen der Veränderung zu steuern. Ein solcher Plan umfasst:
- Vision & Ziele: Es ist entscheidend, eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, warum BIM eingeführt wird. Nur so kann die gesamte Organisation hinter der Vision stehen.
- Strategie & Roadmap: Eine klare Strategie, die technische, organisatorische und kulturelle Aspekte integriert, stellt sicher, dass BIM nicht nur als technisches Projekt verstanden wird, sondern als Teil der Digitalisierungsstrategie.
- BIM-Organisation & Rollen: Ein Team von BIM-Experten, das sowohl die Technik als auch die Kultur begleitet, sorgt für eine effektive Umsetzung.
- Technische Infrastruktur: Die Auswahl geeigneter Softwarelösungen und die Definition von Standards bilden die Grundlage für eine funktionierende BIM-Umgebung.
- Kompetenzaufbau: Schulungen und Workshops sind notwendig, um den Mitarbeitenden die benötigten digitalen Fähigkeiten zu vermitteln und eine offene Fehlerkultur zu etablieren.
- Kulturwandel: Dieser ist ein zentraler Bestandteil des gesamten Prozesses. Die Förderung von offener Kommunikation und bereichsübergreifender Zusammenarbeit ist ebenso wichtig wie die Rolle der Führungskräfte als Vorbilder.
- Kontinuierliche Verbesserung: Der Transformationsprozess muss kontinuierlich überprüft und angepasst werden. Dies erfolgt durch die Auswertung von Pilotprojekten und die Teilnahme an Netzwerken zur Weiterentwicklung.
Brücken bauen zwischen Technik und Mensch
BIM ist mehr als nur ein Werkzeug – es ist eine Methode, um die Digitalisierung der öffentlichen Hand voranzutreiben. Doch um wirklich erfolgreich zu sein, müssen wir nicht nur die Technik, Prozesse und Rahmenbedingungen beherrschen, sondern auch eine neue Arbeitsweise und Denkweise etablieren. Digitalisierung gehört in die öffentliche Hand – nicht als Verwaltung, sondern als aktive Gestalterin von Qualität, Innovation und Zusammenarbeit.
Wer Brücken plant, muss auch Brücken bauen – zwischen Technik und Mensch, zwischen Silos und Zusammenarbeit.
Die DEGES setzt bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten auf die Vorteile der Digitalisierung. Der dafür gegründete Projektbereich „Digitalisierung und IT“ erarbeitet seit 2018 Standards für die Ausschreibung und Umsetzung von BIM Projekten in der Planungs- und Bauphase. Durch die integrierte IT-Abteilung können digitale Lösungen ganzheitlich gedacht und umgesetzt werden. Mit einer eigenen Digitalisierungsstrategie hat die DEGES darüber hinaus die Digitalisierung aller geschäftsrelevanten Abläufe zum Unternehmensziel erklärt.
Digitalisierung lebt dabei von der Vernetzung. Wenn Sie zu unseren Digitalisierungsinitiativen etwas beitragen können oder an ähnlichen Themen arbeiten und sich austauschen wollen – wir freuen uns über die Vernetzung mit Ihnen!