Herr Siegert, die DEGES arbeitet in verschiedenen Bereichen daran, die digitale BIM-Methode weiterzuentwickeln. Sie haben sich den Umweltaspekt vorgenommen, was bedeutet das genau? 

Stephan Siegert: Wir sind ja schon länger dabei, die technische Planung von Infrastrukturprojekten modellbasiert umzusetzen. Das ist jedoch nur ein Teilaspekt der modellbasierten Planung. Bisher fehlt die Implementierung der Umweltplanung und -prozesse in die BIM-Methode. Dazu haben wir bei der DEGES eine interne Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die entsprechende Vorschläge zu diesem Thema erarbeitet.

Sie sind für digitale Beteiligungs- und Genehmigungsverfahren zuständig bei der DEGES. Dort spielen die Umweltauswirkungen ja auch eine große Rolle.

Genau, ein neuer Verkehrsweg ist immer mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Die technischen Planer müssen daher sehr eng mit den Umweltplanern zusammenarbeiten, um in diesem iterativen Planungsprozess Schritt für Schritt die optimale straßenbautechnische Lösung unter Berücksichtigung aller umwelt- und naturschutzfachlicher Anforderungen zu finden. Zielsetzung dieses iterativen Vorgehens ist immer die bestmögliche Vermeidung und Minimierung aller umwelt- und naturschutzfachlichen Konflikte, die ein Straßenbauvorhaben zwangsläufig verursacht. Und die umwelt- und naturschutzrechtlichen Vorgaben sind hier sehr strikt. Alle Eingriffe in Natur und Landschaft müssen wir erfassen und bewerten. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob ein junger Kiefernforst oder ein jahrzehntealter Eichenwald weichen muss, weil letzterer ökologisch eine wesentlich höhere Wertigkeit besitzt. Dieser Eingriff ist also erheblicher im Vergleich zur jüngeren Kiefer. Die modellbasierte Umweltplanung kann uns im Rahmen dieses iterativen Vorgehens mit der BIM-Methode erheblich unterstützen, vor allem auch den Planungsprozess unter Wahrung einer hohen Qualität beschleunigen.

Und diese Bilanzierung der Umweltauswirkungen soll in Zukunft digital laufen?

Ja, wir machen uns darüber Gedanken, wie sich das Thema Umweltauswirkungen in die Methode des Building Information Modeling integrieren lässt – wohl wissend, dass dies eine große Herausforderung darstellt. Wenn es uns gelingt, dies gesamthaft modellbasiert abzubilden und die bestehenden, aber noch separat laufenden Umweltmodelle in die BIM-Methode zu integrieren, können wir die Umweltauswirkungen effizienter bilanzieren und prognostizieren. So könnte beispielsweise der iterative Planungsprozess zwischen technischer und umweltfachlicher Planung massive Beschleunigung erfahren. Es gibt dazu schon erste Beispiele aus der Bauleitplanung, in der diese Eingriffe über das Modell automatisiert bilanziert werden können. Wenn ich zum Beispiel die Straßentrasse um ein paar Meter verschiebe, rechnen mir die Algorithmen im Hintergrund aus, wie sich meine Eingriffsbilanz dadurch ändert.

Worin liegen die größten Hürden bei der Umsetzung?

Umweltrecht ist in Deutschland Landesrecht, es gibt also 16 Varianten davon. Hinzu kommt der Bund mit weiteren Gesetzen, wie dem Bundesnaturschutzgesetz. Gleiches gilt für umweltrelevante Verordnungen, Richtlinien, Handlungsempfehlungen. Wenn ich ein ökologisches Modell erstellen möchte, muss dieses alle relevanten Informationen enthalten, die ich für eine solche Bilanzierung benötige – und das schließt eben alle gesetzlichen Bestimmungen auf Landes- und Bundesebene mit ein. Daraus für alle nutzbare Standards zu entwickeln, was eine Voraussetzung für einen digitalen Prozess ist, ist eine echte Herausforderung.

Das heißt, es ist eher eine Datenfrage? 

Nicht nur. Natürlich stellen die Grundlagendaten das A und O für die Umweltplanung dar. In jedem Bundesland gibt es verschiedene Umweltplattformen, über die solche Informationen zumindest teilweise zugänglich und für die Straßenplanung nutzbar sind. Diese Daten ließen sich in die BIM-Methode einbinden. Darüber hinaus benötigen wir aber zusätzliche, raum- und projektspezifische Daten, die wir in der Regel über eigene Vor-Ort-Kartierungen gezielt auf die planerische Fragestellung zugeschnitten erfassen. Das kann zum Beispiel die Kartierung von Biotopen oder Tierarten sein, damit bei der Planung gleich ersichtlich ist, welche Biotope und welche Tierarten von der geplanten Straße betroffen sein werden. Parallel dazu sind aber auch die unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung und -bewertung in den Blick zu nehmen. Das ist nicht in allen Bundesländern gleich geregelt.

Das Ziel läge also immer darin, den bestmöglichen Kompromiss zu finden, also möglichst umweltschonend zu bauen bei vertretbaren Kosten.

Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Eingriffe in die Natur so weit wie möglich zu vermeiden und zu minimieren. Das hat natürlich Auswirkungen auf die technische Planung und könnte modellbasiert viel einfacher hergeleitet werden, wenn ich in das BIM-Modell ein Umweltbestandsmodell integrieren kann, in dem ich den Status quo der Umwelt abbilde. Zum Beispiel kann bei einer Verschiebung oder Änderung der Gradiente der geplanten Straßenführung das System im Hintergrund gleich die veränderten Ergebnisse der Umweltauswirkungen anzeigen. Dann habe ich eine viel bessere Möglichkeit, das Feintuning für eine ökologisch schonende Straßenführung zu machen. Da wäre die modellhafte Einbindung in die BIM-Methode ein riesiger Vorteil.

Was sind die nächsten Schritte bei der DEGES?

Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen in der Branche, die sich mit diesem Thema beschäftigen, zum Beispiel bei buildingSMART oder der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen. Wir tauschen uns untereinander aus. Grundsätzlich gilt: Man kann nicht so ohne weiteres die konventionelle Planung, die wir heute betreiben, ins digitale Modell übertragen, weil hierbei Erfahrungswerte eine große Rolle spielen, die wir als menschliche Wesen einfach haben. Das in Algorithmen zu übertragen, ist nicht ohne. Und deshalb betreiben wir Innovationsforschung. Wir sind jetzt dabei, Anwendungsfälle zu definieren, wo wir uns überlegen, wie wir diese in einen klar strukturierten Prozess überführen. Wir versuchen also, für die jeweilige umweltfachliche Fragestellung einen Standardprozess zu definieren. Wenn wir den haben, können wir uns in einem weiteren Schritt Gedanken machen, wie wir diesen Standardprozess programmiertechnisch umsetzen.

Das Ziel läge dann darin, dass künftig alle Umweltplanungsbüros diese Anwendungsfälle modellbasiert nutzen könnten.

Ja, vor allem hätten wir dann den Vorteil, dass wir die technischen und umweltfachlichen Informationen nur einmalig erfassen und verknüpfen müssten und nicht mehrfach, wie es heute der Fall ist. Wenn wir das alles in einem Modell hinterlegt haben, können wir de facto auch schneller planen, da wir dann mit wenigen Klicks die Umweltauswirkungen bilanzieren können – und das immer wieder, wenn sich etwas ändern sollte an der Straßenführung.

Wie interdisziplinär ist die Umwelt-BIM-Gruppe bei der DEGES?

Unsere Gruppe besteht aus Umweltmanagern, Ingenieuren und Geografen, die dabei die Zusammenführung der verschiedenen Gewerke anstreben. Wir sind alle mit viel Enthusiasmus dabei. Es macht Spaß, die unterschiedlichen Erfahrungsschätze zusammenzubringen für dieses Projekt.

Die DEGES setzt bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten auf die Vorteile der Digitalisierung. Der dafür gegründete Projektbereich „Digitalisierung und IT“ erarbeitet seit 2018 Standards für die Ausschreibung und Umsetzung von BIM Projekten in der Planungs- und Bauphase. Durch die integrierte IT-Abteilung können digitale Lösungen ganzheitlich gedacht und umgesetzt werden. Mit einer eigenen Digitalisierungsstrategie hat die DEGES darüber hinaus die Digitalisierung aller geschäftsrelevanten Abläufe zum Unternehmensziel erklärt. 

Digitalisierung lebt dabei von der Vernetzung. Wenn Sie zu unseren Digitalisierungsinitiativen etwas beitragen können oder an ähnlichen Themen arbeiten und sich austauschen wollen – wir freuen uns über die Vernetzung mit Ihnen!