Manchmal kommt es anders, als man denkt. Im Abschnitt 7 der geplanten A 20 nistete seit Jahren ein Seeadlerpärchen, was für die Bauplanungen besonders anspruchsvolle Schutzmaßnahmen erforderte. Zum einen, weil der Schutz des Seeadlers zur Königsklasse des Artenschutzes gehört, zum anderen, weil aus dem Nistgebiet am Baggersee Hohenfelde Sand für die geplante Trasse entnommen werden soll. Zusammen mit Experten hatten die DEGES-Umweltplaner ein umfangreiches Artenschutzkonzept erarbeitet. Doch plötzlich befand sich ein Uhu im Adlerhorst – er hatte das Seeadlerpaar vertrieben.

  • Bauabschnitt 7 der A 20
  • Uhus sind Hausbesetzer: Sie übernehmen bestehende Nester, reparieren sie aber nicht
  • Der Uhu ist weniger störanfällig und nachtaktiv

Seeadler sind besonders empfindlich gegenüber Bewegungen – werden sie gestört, kann es dazu führen, dass sie ihr Revier verlassen. Unser Schutzkonzept sah deshalb unter anderem vier Meter hohe Schall- und Sichtschutzwände, genügend Abstand zum Horst während der Bautätigkeiten sowie ein nächtliches Bauverbot vor. Solche Schritte waren notwendig, um trotz der Existenz des Seeadlerpärchens Sand am Baggersee abbauen zu können. Die geplante Sandgewinnung vor Ort war ebenfalls das Resultat einer Umweltverträglichkeitsabschätzung: Durch den Sandabbau in Hohenfelde können wir Transporte, Kosten, Benzin und damit einhergehende Belastungen für die umliegenden Dörfer verringern.

Ein spezieller Zwischenmieter

Doch als auf dem Papier alles fertig war, machte uns die Natur einen Strich durch die Rechnung: Seit 2020 hat es sich ein Uhu im Horst gemütlich gemacht, die Seeadler sind seitdem ausgeflogen. Das bereits erarbeitete Konzept war somit in Teilen hinfällig, da für einen Uhu andere Maßnahmen erforderlich sind – er ist insgesamt weniger störungsanfällig, zudem ist er nachtaktiv.

Noch heute befindet sich der Uhu am Baggersee Hohenfelde, brütet nun allerdings am Boden: Als ruppiger Zwischenmieter hat der Uhu den Adlerhorst nämlich nicht sonderlich gepflegt, was zu seinem Einsturz führte. Uhus kann man daher auch als Hausbesetzer bezeichnen – sie übernehmen bestehende Nester, reparieren diese aber nicht.

Ökosysteme sind dynamisch

Die Ereignisse haben uns mal wieder zwei Dinge gelehrt: Zum einen sind Ökosysteme dynamisch, zum anderen müssen Umweltkonzepte in der Lage sein, sich anzupassen. Zum Glück war unser Nutzungskonzept von Anfang an etwas flexibler gestaltet. So haben wir zum Beispiel das Seeadlerpaar regelmäßig und engmaschig beobachtet – gesetzlich ist die DEGES nur alle fünf Jahre verpflichtet, die Lage vor Ort zu überprüfen. Durch unsere jährliche Erhebung haben wir frühzeitig festgestellt, dass das Adlerpaar nicht mehr im Horst war. Diese neue Situation konnten wir in den aktuellen Planergänzungsunterlagen berücksichtigen.

Weniger ist mehr

Auch in Bezug auf den Sandabbau war unser Konzept auf die Seeadler ausgerichtet: Um die Tiere so wenig wie möglich zu stören, fragten wir uns früh: Wieviel Sand benötigen wir tatsächlich für die A 20? Üblicherweise wird in der Bau- und Gewinnungsphase mit möglichst wenigen Einschränkungen geplant . Durch den Verzicht auf Sandabbau in der Schutzzone rund um den Adlerhorst gingen wir sehr bedarfsorientiert vor und beschränkten uns bei der Kapazitätenplanung auf das Nötigste. Dieses Vorgehen kommt der Natur nun zugute – es macht uns auch in Zukunft flexibel, sollten sich in der Bauphase erneut sensible Vogel- oder andere Tierarten am Baggersee niederlassen.

 

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